_Himmelfahrtskommando in Jerusalem
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24. August 2003
„Heute ist das Himmelfahrtskommando an der Reihe“, lacht der Tourguide beim Frühstück vor seiner kleinen Touristengruppe. Auf dem Programm steht der Felsendom auf Jerusalems Tempelplatz, von wo der Prophet Mohammed in den Himmel gefahren ist und dann der Ölberg, wo die kleine Kreuzfahrerkapelle mit dem Fußabdruck des zum Himmel gefahrenen Jesus steht. Doch einfache Bürger Jerusalems interessieren sich kaum für solche Stätten. Jede simple Busfahrt bedeutet für sie ein Himmelfahrtskommando.
In dem Orthodoxenviertel, auf der Verkehrsinsel, wo am Dienstag der Bus der Linie 2 in die Luft geflogen war, brennen Kerzen. Gebetsbücher sind ausgelegt. Gelegentlich kommen ultraorthodoxe Juden im schwarzen Kaftan und streiten sich auf Jiddisch, wo denn genau der Selbstmordattentäter seine Bombe gezündet habe. Noch liegt Sand auf dem Bürgersteig, wo das Blut der 21 Toten und 138 Verletzten geflossen ist. Erst am Sonntag (gestern) wurde die Leiche einer Gastarbeiterin aus den Philipinen identifiziert.
24. August 2003
„Heute ist das Himmelfahrtskommando an der Reihe“, lacht der Tourguide beim Frühstück vor seiner kleinen Touristengruppe. Auf dem Programm steht der Felsendom auf Jerusalems Tempelplatz, von wo der Prophet Mohammed in den Himmel gefahren ist und dann der Ölberg, wo die kleine Kreuzfahrerkapelle mit dem Fußabdruck des zum Himmel gefahrenen Jesus steht. Doch einfache Bürger Jerusalems interessieren sich kaum für solche Stätten. Jede simple Busfahrt bedeutet für sie ein Himmelfahrtskommando.
In dem Orthodoxenviertel, auf der Verkehrsinsel, wo am Dienstag der Bus der Linie 2 in die Luft geflogen war, brennen Kerzen. Gebetsbücher sind ausgelegt. Gelegentlich kommen ultraorthodoxe Juden im schwarzen Kaftan und streiten sich auf Jiddisch, wo denn genau der Selbstmordattentäter seine Bombe gezündet habe. Noch liegt Sand auf dem Bürgersteig, wo das Blut der 21 Toten und 138 Verletzten geflossen ist. Erst am Sonntag (gestern) wurde die Leiche einer Gastarbeiterin aus den Philipinen identifiziert.
_An der Bushaltestelle sitzt ein junger frommer Jude und studiert unentwegt sein heiliges Buch. Sicherheitsleute wie an vielen anderen Bushaltestellen in Jerusalem sind weit und breit nicht zu sehen. Nach wenigen Minuten kommt der überlange rote Gabelbus. Das Fahrzeug ist in den Mittagsstunden fast leer. Vielleicht zehn Orthodoxe auf dem Weg zur Klagemauer, zwei alte Frauen, zwei arabische Bauarbeiter. Die beiden Palästinenser, Farbkleckse an der Hose und ein Handy am Gürtel, steigen bald aus, der eine beim Damaskustor, der andere beim Herodestor. Die Fahrt geht durch das „arabische“ Ost-Jerusalem an den Stadtmauern vorbei, die seit Salomon und Kaiser Hadrian auch von Suleiman dem Prächtigen erneuert worden sind.
„Haben Sie keine Angst“, fragen wir den Busfahrer. Er trägt keine Uniform, wie in Deutschland üblich. „Ach nein, wir sind vieles gewöhnt.“ Der Fahrer konnte sich selber auswählen, welche Strecke er bedienen wollte. So fährt er seit drei Jahren auf der Linie 2, vom Orthodoxenviertel Har Nof quer durch die Stadt zur Klagemauer.
„Ich dachte, dass diese Linie weit weg von allen Übeltätern sei. Denn wer will schon den Orthodoxen etwas antun?“ Seine Kundschaft sind fromme jüdische Familien. „Da hat jeder zehn bis zwölf Kinder. Die müssten sich für jede Fahrt gleich mehrere Taxis mieten“, sagt der Fahrer.
Schwerbewaffnete Grenzschützer stoppen den Bus und prüfen kurz die Insassen. Am Misttor, vor der Endstation an der Klagemauer, zu Füßen der El Aksa Moschee, besteigt kurz ein Polizist den Bus, schaut sich misstrauisch um und verlässt ihn schnell wieder durch die Hintertür. Der Busfahrer kennt das Ritual.
„Haben Sie keine Angst“, fragen wir den Busfahrer. Er trägt keine Uniform, wie in Deutschland üblich. „Ach nein, wir sind vieles gewöhnt.“ Der Fahrer konnte sich selber auswählen, welche Strecke er bedienen wollte. So fährt er seit drei Jahren auf der Linie 2, vom Orthodoxenviertel Har Nof quer durch die Stadt zur Klagemauer.
„Ich dachte, dass diese Linie weit weg von allen Übeltätern sei. Denn wer will schon den Orthodoxen etwas antun?“ Seine Kundschaft sind fromme jüdische Familien. „Da hat jeder zehn bis zwölf Kinder. Die müssten sich für jede Fahrt gleich mehrere Taxis mieten“, sagt der Fahrer.
Schwerbewaffnete Grenzschützer stoppen den Bus und prüfen kurz die Insassen. Am Misttor, vor der Endstation an der Klagemauer, zu Füßen der El Aksa Moschee, besteigt kurz ein Polizist den Bus, schaut sich misstrauisch um und verlässt ihn schnell wieder durch die Hintertür. Der Busfahrer kennt das Ritual.
Endstation Klagemauer
_Nach wenigen Minuten geht es wieder zurück. Jetzt sitzt ein
Grenzschützer mit einem M-16 Gewehr in der ersten Reihe. „Wieso Angst?
Das Leben muss weitergehen.“ Das Gespräch entwickelt sich.
„Sicherheitsleute an Bord der Busse? Das bringt doch nichts“, sagt der
Soldat und der Busfahrer fachsimpelt: „Sowie der Terrorist erst einmal
im Bus ist, hilft gar nichts mehr. Dann gibt es Tote, wegen des
geschlossenen Raumes.“ Bei dem Anschlag am Dienstag mit 21 Toten hätten
die Menschen noch „Glück im Unglück“ gehabt. Der überlange Gabelbus sei
explodiert, als er gerade in eine Seitenstraße einbog. „Auf gerader
Strecke hätte es auf einen Schlag 80 Tote gegeben“, behauptet der
Fahrer. Der Soldat fügt hinzu: „Auch Panzerglas und ähnliche Maßnahmen
bringen nichts, wir können doch nicht alle in Panzern durch die Gegend
fahren.“ Jetzt erklärt der Fahrer, dass die Trennscheibe zum
Fahrgastraum eine „tödliche Gefahr“ bedeute. Sein Kollege, der am
Dienstag am Steuerrad gesessen habe, sei durch jene Scheibe am Kopf
verletzt worden. Wir nähern uns der Haltestelle, 20 Meter vor dem
Anschlagsort. „Der Bus war voll. Der Attentäter muss genau hier
unbemerkt den Bus durch die offene Hintertür bestiegen und eine halbe
Minute später in die Luft gesprengt haben“, sagt der freundliche Fahrer.
Manche seiner ultraorthodoxen Fahrgäste kennen ihn offenbar gut. „Wie
heißen Sie“, fragen wir ihn. Am Morgen noch hatte der Sprecher der
Buskooperative gesagt, dass Busfahrer nur mit offizieller Genehmigung
Journalistenfragen beantworten dürften. „Ich heiße Fais“, sagt er. Ein
typisch arabischer Name. „Ja ich bin Palästinenser aus Ostjerusalem und
fahre schon drei Jahre auf dieser Strecke. Einige meiner arabischen
Kollegen hat es schwer getroffen. Einige sind tot, einer hat ein Auge
und ein Bein verloren. Schrecklich.“
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Der Bus Nr. 2 passiert jene Stelle wo am Dienstag ein anderer Bus dieser Linie explodiert ist
Der Bus Nr. 2 passiert jene Stelle wo am Dienstag ein anderer Bus dieser Linie explodiert ist